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Gen-Panels für Klinische Bereiche

Klinischer BereichAugenheilkunde

Zugeordnete Erkrankungen

Hinweise zum Klinischen Bereich

Hier finden Sie die für den oben angegebenen Klinischen Bereich verfügbaren krankheitsbezogenen Genpanels.

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Die Liste der gebietsbezogenen Erkrankungen zeigt die nach aktueller wissenschaftlicher Datenlage genetisch bedingten Erkrankungen, bei denen eine humangenetische Untersuchung sinnvoll ist. Eine genetische Untersuchung sollte gezielt und nur dann vorgenommen werden, wenn eine Verdachtsdiagnose vorliegt, die nur durch einen humangenetischen Befund ausgeschlossen oder gesichert werden kann. Die Patientinnen/Patienten sind dann in jedem Fall entsprechend aufzuklären, und es soll eine genetische Beratung angeboten werden (siehe GenDG §§ 9, 10). Bei vorgeburtlichen genetischen Untersuchungen ist eine schwangere Frau grundsätzlich genetisch zu beraten (GenDG § 15).

Erbliche Augenkrankheiten

Gene spielen eine wichtige Rolle für die Entstehung von Augenkrankheiten. Viele erblich bedingte Augenkrankheiten sind selten, dennoch sind genetische Sehstörungen insgesamt bei Kindern und Erwachsenen sehr verbreitet. Es wurden bisher mehrere hundert Gene charakterisiert, die erbliche Augenkrankheiten wie Albinismus, Aniridie, Farbenblindheit, Hornhautdystrophien, Glaukom, Leber‘sche kongenitale Amaurose, Mikrophthalmie, Nachtblindheit, Retinitis pigmentosa und Retinoblastom verursachen. Bei syndromalen Augenerkrankungen ist die Symptomatik im Bereich des Auges Teil einer übergeordneten Erkrankung, die mehrere Organsysteme oder Funktionen des Körpers betrifft (d.h. sie ist Teil eines genetischen Syndroms). Mehr als 60% der Fälle von Blindheit im Kindesalter sollen genetisch bedingt sein, verbunden mit Augenfehlbildungen, angeborenem Glaukom, Atrophien des Sehnervs und Netzhauterkrankungen wie Retinitis pigmentosa. Auch bei Erwachsenen können genetische Faktoren für Augenkrankheiten wie Glaukom, Retinitis pigmentosa und Makuladegeneration verantwortlich oder mitverantwortlich sein. Mittels genetischer Diagnostik werden die Ursachen erblicher Augenerkrankungen abgeklärt. Das Ziel ist hierbei, Abweichungen vom Referenzgenom („Wildtyp“) festzustellen und dann ggf. zwischen neutralen Varianten und pathogenen Mutationen zu unterscheiden. Beispielsweise können Mutationen in unabhängigen Genen auf verschiedenen Chromosomen >80 klinisch praktisch nicht differenzierbare Retinitis pigmentosa-Formen hervorrufen („Lokus-Heterogenität“). Andererseits führen verschiedene Mutationen in ein und demselben Gen zu klinisch offenbar separierten Krankheitsentitäten („Allel-Heterogenität“; TULP1 Genmutationen verursachen Retinitis pigmentosa Typ 14 oder Leber kongenitale Amaurose Typ 15).

Formalgenetik und Ätiologie

Formalgenetisch und ätiologisch lassen sich folgende Gruppen erblicher Augenerkrankungen unterscheiden:

  • monogene Erkrankungen (autosomale oder X-chromosomale Vererbung), durch Störung eines einzelnen Gens
  • mitochondriale Erkrankungen (maternale oder autosomale Vererbung), führt zu Störung des Energiestoffwechsels der Zellen
  • digene Erbleiden, die sich nur manifestieren, wenn gleichzeitig Mutationen jeweils heterozygot in zwei unterschiedlichen Genen vorliegen. Physiologischerweise bilden die beiden normalen Genprodukte zusammen funktionelle Heterodimere. Digene Vererbung betrifft ~3% der Erbkrankheiten neben den klassischen autosomalen und X-gekoppelten Leiden.
  • multifaktoriell bedingte Erkrankungen (Interaktion von mehreren bis vielen Genen plus Umwelt-Faktoren), gilt für viele häufige Augenkrankheiten wie altersbedingte Makuladegeneration, Schielen und einigen Formen von Glaukom, Kurzsichtigkeit und Astigmatismus. Nachfolgend sind einige der häufigeren Krankheitsgruppen angeführt.

Angeborene Katarakt, frühkindliches Glaukom, Retinoblastom

Isolierte Formen einer kongenitalen Katarakt sind oft autosomal-dominant vererbt. Dagegen werden syndromale Formen, z.B. im Rahmen einer erblichen Stoffwechselstörung, häufig autosomal-rezessiv vererbt. Hierfür stehen jeweils umfangreiche Gen panels zur Verfügung. Ein Glaukom kann auch bereits angeboren sein (z.B. bei Aniridie) oder im Kleinkindalter auftreten und ist meist beidseitig. Frühzeitige molekulargenetische panel Diagnostik ist oftmals entscheidend für den Erfolg der Behandlung. Das Retinoblastom ist ein bösartiger Tumor der Netzhaut im Kindesalter. ~45% der Patienten mit Retinoblastom haben eine erbliche Form. Diese Patienten sind heterozygote Träger einer Mutation im RB1-Gen.

Hereditäre Optikusatrophien

Optikusatrophien haben sowohl nicht-genetische wie auch genetische Ursachen. Die Leber‘sche Optikusneuropathie wird dagegen durch Varianten im Genom der Mitochondrien verursacht, sie wird mütterlich vererbt (maternaler Erbgang). Am häufigsten ist die autosomal-dominant vererbte Form der Optikusatrophie mit Beginn in der Kindheit. Wichtige Grundlage der Diagnostik ist daher die Familienanamnese zur Auswahl des Gen panels.

Hornhautdystrophien

Hornhautdystrophien sind genetisch bedingte Erkrankungen der Hornhaut, typisch sind beidseitige, fortschreitende Trübungen der Cornea. Die Trübungen haben verschiedene, aber für die jeweilige Störung charakteristische Formen. So können punkt-, fleck-, gitter-, waben-, wolkenförmige, flächige und kristallartige Trübungen unterschieden werden. Meist werden Hornhautdystrophien vor dem 40. Lebensjahr bei augenärztlichen Kontrollen festgestellt. Der Erbgang der meisten Hornhautdystrophien ist autosomal-dominant.

Erbliche Netzhauterkrankungen

Erbliche Netzhauterkrankungen können wie die Retinitis pigmentosa (Retinopathia pigmentosa) zuerst die Funktion der Stäbchen-Sehrezeptoren in der Netzhautperipherie betreffen. Zapfendystrophien treffen zuerst die Funktion der Zapfen-Sehrezeptoren und beginnen zunächst in der Netzhautmitte. Viele Netzhauterkrankungen beeinträchtigen sowohl die Funktion von Stäbchen– wie auch Zapfenrezeptoren. Als Makuladystrophien bezeichnet man eine Gruppe genetischer Netzhauterkrankungen, die nur die Zapfenrezeptoren der Makula als Stelle des schärfsten Sehens betreffen. Ophthalmologisch sind oft charakteristische Veränderungen der Netzhaut, Gesichtsfelduntersuchung und elektrophysiologische Diagnostik wegweisend für die klinische Einordnung der verschiedenen Netzhauterkrankungen. Die entsprechenden Gen panels sind demzufolge jeweils besonders umfangreich.

Welchen Nutzen hat die genetische Diagnose für den Patienten?

Die genetische Diagnose unterstützt und bestätigt die klinische Diagnose. Dies ist bei einigen Sehstörungen sehr wichtig, wenn Erkrankungen mit ähnlicher klinischer Symptomatik, aber unterschiedlicher Ursache differenziert werden müssen. Ein Beispiel sind erbliche Netzhauterkrankungen oder Erkrankungen des Sehnerven. Eine korrekte Diagnose ist oft entscheidend, um die Prognose richtig einzuschätzen, unnötige Untersuchungen und auch ungeeignete Therapien zu vermeiden. Sobald die genetischen Ursachen einer Augenkrankheit ermittelt sind, können Familienmitglieder, die Anlageträger sein könnten aber möglicherweise noch keine Symptome haben, genetisch untersucht und identifiziert werden. Mit diesen Informationen ist es möglich, Patienten und der Familie genetische Beratung anzubieten. Der genetische Befund ermöglicht es bei bestimmten Diagnosen auch, Kandidaten für die modernen Zell- und Gentherapieverfahren zu identifizieren.