©Sergey Nivens/stock.adobe.com
Gen-Panels für Klinische Bereiche

Klinischer BereichMund-Kiefer-Gesichtschirurgie

Hinweise zum Klinischen Bereich

Hier finden Sie die für den oben angegebenen Klinischen Bereich verfügbaren krankheitsbezogenen Genpanels.

Sollten Sie die gewünschte Erkrankung nicht finden, verwenden Sie in der Suche bitte ein Ihnen bekanntes Synonym (auch in englischer Sprache).

Die Liste der gebietsbezogenen Erkrankungen zeigt die nach aktueller wissenschaftlicher Datenlage genetisch bedingten Erkrankungen, bei denen eine humangenetische Untersuchung sinnvoll ist. Eine genetische Untersuchung sollte gezielt und nur dann vorgenommen werden, wenn eine Verdachtsdiagnose vorliegt, die nur durch einen humangenetischen Befund ausgeschlossen oder gesichert werden kann. Die Patientinnen/Patienten sind dann in jedem Fall entsprechend aufzuklären, und es soll eine genetische Beratung angeboten werden (siehe GenDG §§ 9, 10). Bei vorgeburtlichen genetischen Untersuchungen ist eine schwangere Frau grundsätzlich genetisch zu beraten (GenDG § 15).

Genetik in der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie

Mittels molekulargenetischer Diagnostik werden die erblichen Ursachen von Erkrankungen aus dem Spektrum der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (MKG) abgeklärt. Das Ziel ist hierbei, Abweichungen vom Referenzgenom („Wildtyp“) festzustellen und dann ggf. zwischen neutralen Varianten und pathogenen Mutationen zu unterscheiden, die für die physiologische Entwicklung und störungsfreie Funktion von Bedeutung sind. Die Vererbungsmuster von MKG-Erkrankungen stellen die Grundlagen der genetischen Beratung dar für die Patienten, Risikopersonen und betroffene Familien. In den letzten 30 Jahren wurden zahlreiche Gene charakterisiert, deren Veränderungen mit das breite Spektrum der MKG-Erkrankungen hervorrufen bzw. zur Entwicklung dieser Leiden beitragen. Aktuelle Forschungsergebnisse wirken sich unmittelbar auf das diagnostische Vorgehen im Labor und in der Aufklärung bzw. gebetischen Beratung aus. Beispielsweise können Mutationen in unabhängigen Genen auf verschiedenen Chromosomen klinisch nicht differenzierbare, hereditäre Erkrankungen hervorrufen („Lokus-Heterogenität“; siehe Kraniosynostosen). Andererseits können verschiedene Mutationen in ein und demselben Gen zu klinisch offenbar separierten Krankheitsentitäten führen („allelische Heterogenität“; TP63 Genmutationen verursachen orofaziale Spalten [Typ 8] oder z.B. ADULT [Acro-Dermato-Ungual-Lacrimal-Tooth] Syndrom).

Formalgenetik und Ätiologie

Formalgenetisch und ätiologisch lassen sich folgende Gruppen von MKG-Erkrankungen unterscheiden:

  • monogene Erkrankungen (autosomale oder X-chromosomale Vererbung)
  • digene Erbleiden, die sich nur manifestieren, wenn gleichzeitig Mutationen jeweils heterozygot in zwei unterschiedlichen Genen vorliegen. Physiologischweise bilden die beiden normalen Genprodukte zusammen funktionelle Heterodimere. Digene Vererbung betrifft ~3% der Erbkrankheiten neben den klassischen autosomalen und X-gekoppelten Leiden.
  • mitochondriale Erkrankungen (maternale oder autosomale Vererbung)
  • multifaktoriell bedingte Erkrankungen (Interaktion von mehreren bis vielen Genen plus Umwelt-Faktoren)

Angeborene Fehlbildungen

Angeborene Fehlbildungen im MKG-Bereich erscheinen häufig sporadisch – gibt es eine genetische (Mit-)Ursache? Sehr viele vererbte MKG-Leiden beruhen nachgewiesenermaßen auf genetischen Veränderungen und führen zu Störungen in den Proteinen, die die MKG-Strukturen mitaufbauen. Die DNA-Diagnostik umfasst daher oftmals ein gestuftes Vorgehen, in dem zunächst die häufigsten Mutationen untersucht werden, bevor durch umfangreiche und kostenintensive panel-Verfahren auch die ganz seltenen genetischen Ursachen in parallelen Ansätzen eruiert werden. Aufgefundene Mutationen bzw. alle Varianten mit unklarer Bedeutung (VUS) werden durch DNA-Sequenzuntersuchung mit Sanger-Technik verifiziert. - Nachfolgend sind nur vier häufigere Krankheitsgruppen detaillierter angeführt.

Lippen-, Kiefer-, Gaumenspalten und Gesichtsspalten

Lippen-Kiefer-Gaumen (LKG)-Spalten sind mit rund 15% unter den häufigsten angeborenen Fehlbildungen bekannt. In Mitteleuropa ist eines von ~650 Neugeborenen betroffen, Knäblein etwas häufiger als Mädchen. Die Diagnose erfolgt heutzutage gewöhnlich bereits per Ultraschall in der Schwangerschaft. Die allermeisten LKG-Spalten sind multifaktoriell bedingt mit Beteiligung von mehreren genetischen Varianten und immer noch wenig bekannten Umweltfaktoren. Somit sind die genetischen Ursachen von LKG-Spalten à priori eigentlich nur in umfangreichen Forschungsprojekten eruierbar. Letztere Arbeiten haben allerdings auch (sehr) seltene Ursachen von LKG-Spalten diagnostizieren lassen, wobei bis zu 150 und mehr monogen bedingte Defekte der direkten DNA-Diagnostik zugänglich geworden sind. Für die letztgenannten Unterformen dieses Spektrums sind die Vererbungsmuster genau bekannt und die genetischen Defekte direkt nachweisbar. Sofern die klinische Diagnose weniger spezifisch bleibt, stehen daher auch sehr große Gen panels differentialdiagnostisch zur Verfügung.

Weitere Gesichtsfehlbildungen

Noch weiter gehende und komplexere Gesichtsfehlbildungen schließen die Differentialdiagnostik der frontonasalen Dysplasie ein, Gesichtsspalten verschiedener Tessier-Typen und die Opitz G/BBB-Syndrome (mit unterschiedlichen Erbgängen), die neben variabel ausgeprägter Gesichtsspalte bzw. Hypertelorismus mit laryngo-tracheo-ösophagealen Defekten und Hypospadie vergesellschaftet sind. Auch hierfür sind entsprechende Gen panels in der amedes DB vorgehalten.

Rasopathien (Phakomatosen, neurokutane Syndrome)

Rasopathien umfassen einige seltenere verwandte Syndrome (Costello, LEOPARD- und Kardio-Fazio-Kutanes-[CFC-]Syndrom), das häufigere Noonan-Syndrom sowie die Neurofibromatose Typ 1 (NF1) und ähnliche Erkrankungen (Legius-, NF1-Noonan-Syndrom). Allen Rasopathien gemeinsam sind genetische Veränderungen, die eine konstitutionelle Fehlregulation des RAS-MAPK-Signalwegs hervorrufen. Damit kommt ein typisches Muster von angeborenen Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen in variabler Ausprägung zustande. Klinische Merkmale sind neben kardialen Anomalien und vermindertem Wachstum eben auch besonders kraniofaziale Dysmorphien. Haut und Nervensystem entwickeln sich jeweils aus dem Ektoderm. Neurokutane Syndrome zeichnen sich definitionsgemäß durch Symptom-Kombinationen aus mit unterschiedlichen Hautbefunden unter Beteiligung des peripheren und/oder zentralen Nervensystems. Ein häufigeres Leiden unter diesen seltenen monogenen Erkrankungen ist z.B. die autosomal dominant vererbte NF1, deren Behandlung ebenfalls ins MKG-Spektrum gehört – wie chirurgische Interventionen bei anderen seltenen erblichen Tumoren und Gefäßfehlbildungen des Gesichtes und der Mundhöhle. Aufgrund der genetischen Heterogenität dieser klinischen Bilder kommen nach initialer Abklärung der häufigsten Typen zunehmend umfangreichere Gen panels in der DNA-Sequenzuntersuchung zum differentialdiagnostischen Einsatz.

Kraniosynostosen

Bei einfachen Synostosen ist nur eine einzelne Schädelnaht vorzeitig verschlossen, was zur Wachstumshemmung senkrecht zum Nahtverlauf führt sowie zur Ausbildung einer der typischen Kopfformen je nach Schädelnaht. Zu unterscheiden sind Scaphocephalie/ Dolichocephalie (Sagittalnahtsynostose), Trigonocephalie (Frontalnahtsynostose), anteriore Plagiocephalie (Koronarnahtsynostose), posteriore Plagiocephalie (Lambdanahtsynostose) sowie multiple und syndromale Kraniosynostosen. Der genetischen Heterogenität der Kraniosynostosen wird durch ein Basis panel mit 13 Genen sowie einem erweiterten panel mit nahezu 50 Genen Rechnung getragen.